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Санкт-Петербургская классическая гимназия №610
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в прессе            

Homer und Cicero statt Marx und Lenin
Experiment und Wandel an den russischen Schulen und Hochschulen (von Kerstin Hohn)
«Frankfurter Allgemeine Zeitung», 25. Januar 1992

На фотографии на первом плане гимназисты Дугаев, Семенов, Петухов и Б. А. Рогинский.


Als die Moskauer Schulkinder im vergangenen September nach dem gescheiterten Putsch den Unterricht wiederaufnahmen und die Lesebücher der Elementarstufe aufschlugen, erblickten sie auf der ersten Seite den Satz: „Unser aller Lieblingsworte sind Mutter, Heimat und Lenin.“ Sie und ihre Eltern waren nach der Niederschlagung der Verschwörer wieder dem sowjetischen Alltag ausgesetzt. Die Porträts von Lenin und Marx, die alle Klassenzimmer schmückten, mußten auf Anweisung des Stadtrates im vergangenen Herbst zwar verschwinden, doch die Lehrer blieben weitgehend die alten, und nicht wenige bemühen sich trotzig, ihre Schüler weiter im leninistischen Geist zu erziehen. Die meisten Lehrer bringen kaum die Energie auf, in dieser Zeit der Orientierungslosigkeit und des allgemeinen Mangels neue Wege zu suchen. Es fehlt nicht zuletzt ein materieller Anreiz. Der Beruf des Lehrers gehört zu den am schlechtesten bezahlten im Land. Das Anfangsgehalt liegt derzeit bei 320 Rubel — ein Drittel des Lohnes eines Busfahrers und die Hälfte von dem einer Reinemachefrau -, während das Existenzminimum offiziell auf 340 Rubel beziffert wird.

Seit in den siebziger Jahren in den russischen Städten so etwas wie eine gebildete „Mittelschicht“ entstand, die ihren Kindern eine solide Ausbildung geben wollte, haben sich erfinderische Eltern einiges einfallenlassen, um der Schulmisere zu begegnen. Elterngruppen tun sich zu privaten „Hausschulen“ zusammen, bei denen jeder Erwachsene den versammelten Kindern das zu vermitteln versucht, was er weiß. In gebildeteren Familien ist es schon längere Zeit üblich, daß die Kinder neben den Schulstunden privaten Unterricht in wichtigen Fächern wie Fremdsprachen oder Mathematik erhalten. Solche vertiefenden Lektionen können einen beträchtlichen Teil eines Familienbudgets verschlingen. Einzelsprachunterricht bei einem renommierten Lehrer kann heute bis zu fünfzig, sechzig Rubel die Stunde kosten, während das Durchschnittsgehalt um die 500 Rubel beträgt.

Einige anspruchsvolle Eltern wollen ihre Kinder auch dem verrohenden Einfluß der gewöhnlichen Schulen entziehen. Lew, selbst Lehrer und Vater eines Jungen im Oberschulalter in Sankt Petersburg, klagt über den hohen Anteil an zentralasiatischen Kindern in den staatlichen Grundschulen der Stadt, von denen ein hoher Prozentsatz ins kriminelle Milieu abgleite.

Die Krise des Schulsystems hat eine Aufbruchstimmung und Experimentierphase in der traditionell starken russischen Pädagogik bewirkt. Im vergangenen Herbst wurde in Sankt Petersburg die erste Schule für Hauslehrer eröffnet. Das Gesetz stellt es heute russischen Eltern frei, ihre Kinder ausschließlich zu Hause unterrichten zu lassen. Freilich sind derzeit nur staatliche Schulen berechtigt, Abschlußzeugnisse auszustellen. Die meisten Pädagogen kritisieren, das sowjetische Erziehungswesen habe versucht, einen vorgegebenen Persönlichkeitstyp hervorzubxingen, der sich problemlos in das System einfügte, und im übrigen das Land mit Facharbeitern zu versorgen. Besondere Begabungen seien nicht berücksichtigt worden, weshalb für talentierte Kinder die Schule verhaßt und langweilig sei. Demokratie und Marktwirtschaft eiforderten jedoch bewegliche, selbständig denkende Menschen mit einem bestimmten Maß an Allgemeinbildung und Kultiviertheit. „Humanisierung“ des Bildungssystems ist deshalb für viele ein Zauberwort.


Unterricht in Marketing

Alternative Schulformen sind in Mode, man versucht, abgerissene Traditionen wiederzubeleben, was nicht ohne Fragwürdigkeiten und Scharlatanerien abgeht. Uberall bieten neugegründete „Privatschulen“ an, Schulkinder für ein paar hundert Rubel „alternativ“ auszubilden. Manche Eltern sind entsetzt, wenn sie feststellen, daß sich diese Schulen oft der antiautoritären Erziehung verschrieben haben und keinerlei Abschlußzeugnis ausstellen können. In Moskau und Sankt Petersburg herrscht ein regelrechtes Gründungsiieber von „Gymnasien“ und „Lyzeen“. In den meisten Fällen verbergen sich hinter solchen Namen, die eine gewisse Exklusivität signalisieren sollen, gewöhnliche staatliche Oberschulen, deren Lehrkräfte ebenso wie die Unterrichtspläne weitgehend die gleichen geblieben sind wie früher. Das erste, Mitte der achtziger Jahre von der Leningrader Parteiführung für die Kinder der Nomenklatura in einem prächtigen historischen Gebäude der Stadt eingerichtete „Lyzeum“ erinnerte in manchem an die vorrevolutionären Adelsschulen. Als Hauptfacher wurden neben Englisch und Französisch Musik, anständiges Benehmen und Tanz gelehrt. Mathematik war im Lehrplan nicht vorgesehen, dafür hatten die Schüler die Möglichkeit, sich in Wahlkursen mit Astrologie und Okkultismus zu befassen.

Das Fach Religion ist in dieser Zeit besonders populär. Da ausgebildete weltliche Religionslehrer fehlen, unterrichten zumeist Priester, die ihre Aufgabe nicht so sehr darin sehen, ein analytisches Wissen über Religionsgeschichte zu vermitteln; vielmehr versuchen sie, die Schüler der orthodoxen Kirche zuzuführen. Im „demokratisch“ reformorientierten russischen Fernsehen wurde unlängst eine Schule gezeigt, in der Religion Pflichtfach ist und die Schüler jeden Morgen beten, was die Kommentatorin als den Gipfel der geistigen Befreiung und Modernität pries. Sorgen bereiten russischen Intellektuellen auch die von amerikanischen Sekten geleiteten Schulen, die den Wunsch von Eltern und Kindem nach Auslandsaufenthalten J ausnutzen und versprechen, die besten Schüler in die Vereinigten Staaten zu schicken.

Einige russische Schulen passen sich den veränderten Zeiten einfach an, indem sie ihre Schüler nun in anderem Geist indoktrinieren. In der Stadt Glasow in Udmurtien am Ural hat das regionale Erziehungsministerium den Schulen empfohlen, im Unterricht die Reden Jelzins auswendig lernen zu lassen. Manche Oberschulen in Moskau und Sankt Petersburg haben Fächer wie „Geschäftsleben“ und „Marketing“ für die Mittelstufe eingeführt, wo sie mit Hilfe amerikanischer Programme wirtschaftliche Planspiele vollführen. Stolz auf ihre Fortschrittlichkeit, lassen sie ihre dreizehn- und vierzehnjährigen Zöglinge vor der Femsehkamera betenern, daß sie ein eigenes Unternehmen gründen und viel Gewinn machen werden — mit der gleichen Inbrunst, mit der noch unlängst die Jungen Pioniere Lenin und dem Sozialismus die Treue geschworen haben.

Unter den Angehörigen der europäisch gebildeten russischen Intelligenz hört man oft die Klage, zu viele westliche Einflüsse kämen derzeit aus Amerika statt aus Europa. Am liebsten würden sie das am preußischen Bildungswesen orientierte vorrevolutionäre Schulsystem wiederhergestellt sehen. Eine Schule, bei der dies gelungen scheint, ist das vor drei Jahren eröffnete erste altsprachliche Gymnasium in Sankt Petersburg, das jetzt drei Jahrgänge unterrichtet. Der über sechs Tage in der Woche verteilte Stundenplan enthält neben Russisch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Literatur und Naturwissenschaften Latein und Altgriechisch — von der fünften beziehungsweise der siebten Klasse an. Dazu kommen freiwillige Stunden in Politologie, orientalischer Philosophie, Zeichnen oder Französisch. Daß die Zöglinge hier, wie alle russischen Schüler, Uniformen tragen müssen, soll verhindern, daß Kinder aus wohlhabenderen Familien durch schikkere Kleidung den Neid der anderen erregen.

Das von Pädagogen aus Leidenschaft betriebene Gymnasium will offensichtlich einen dem sowjetischen Kollektivideal entgegengesetzten neuen EliteMenschen hervorbringen. Gegründet wurde es von einer Handvoll Lehrer, die zuvor mit ihren Kindern private Sommerkurse abgehalten hatten und auch jetzt noch gemeinsam in Sommerlager fahren. Alle Lehrer hier müssen ausgewiesene Professionelle in ihrem Fachgebiet sein. Aufgenommen werden nur Schüler, die den Auswahltest bestehen. Etwa drei Viertel der Klassen sind Jungen, weil sie den Test häufiger bestehen als Mädchen.

In der Anfangszeit war die Schule allerlei Schikanen ausgesetzt, erinnert sich der junge stellvertretende Direktor und Mathematiklehrer Sergej Burjatschko. Nachdem man im vergangenen Jahr aus provisorischen Einzelräumen in das jetzige richtige Schulgebäude umzog, stellte der Geheimdienst KGB dort zeitweise den Strom ab oder verriegelte das Gebäude. Doch die Hartnäckigkeit und der Enthusiasmus der Lehrer, von denen einige an die Schule kamen, nachdem ihre Kinder die Aufnahmeprüfung bestanden hatten, setzten sich durch. Die Schule ist nicht nur staatlich anerkannt und finanziert, sie wird zusätzlich durch private Sponsoren aus dem In- und Ausland unterstützt und kann deshalb ihren Lehrern das Doppelte des gewöhnlichen Gehaltes zahlen. Burjatschko ist stolz darauf, daß junge Slawisten aus den Vereinigten Staaten, Frankreich und Australien zu Arbeitsaufenthalten am . ersten klassischen Gymnasium Sankt Petersburgs kommen, hier ihre Muttersprache unterrichten und dafür von den Lehrern in Russisch und russischer Geschichte unterwiesen werden. Zwar kann die Schule ihren westlichen Gästen nur Rubel bezahlen, doch diese können sich ihren Aufenthalt daheim als Studienjahr anrechnen lassen.


Religion und Asthetik

In Ermangelung geeigneter modemer Lehrmittel werden beim Latein- und Griechischunterricht sowie für die ältere Geschichte vorrevolutionäre Schulbücher benutzt. In jüngster Zeit verwenden einige Lehrer auch einige deutsche Bücher, die sie selbst übersetzen und mit Hilfe des von einer amerikanischen Stiftung gespendeten Kopiergerätes vervielfältigen. Ein Überbleibsel der sowjetischen Epoche scheint die Vorliebe der j Schulleitung für Wettbewerbe zu sein. l Ende des vergangenen Jahres trat eine j Klasse zu einem Mathematikwettbewerb gegen eine andere aus einer auf Mathematik spezialisierten Schule an — und wurde vemichtend geschlagen. Die l Lehrer waren bestürzt. Die neue Schülerelite muß sich erst noch beweisen. Auch an den russischen Hochschulen bemüht man sich um ein exklusiveres Profil und die Stärkung der HumanwisFsenschaften. Dem p Namenswechsel der Oberschulen vergleichlßd haberii sich die meisten Fach- und technischen Hochschulen in Petersburg die Bezeichnung „Universität“ zugelegt. „Humanisierung“ bedeutet vor allem, daß die bisher für alle Studienzweige verbindlichen Fächer Geschichte der KPdSU, Marxismus-Leninismus, Politökonomie und Wissenschaftlicher Kommunismus ersetzt wurden durch Geschichte, Philosophie, Weltwirtschaft und Politologie. Die Dozenten freilich sind weitgehend die gleichen geblieben, und einige besonders orthodoxe propagieren weiterhin Lenins Thesen. Die Wandzeitungen und Lehrpläne zitieren nicht mehr Lenin und die Kommunistische Partei, sondern Puschkin, Berdjajew und die Bibel. Das neue allgemeinbildende Programm, so klagen viele Dozenten der neuen humanwissenschaftlichen Fächer, findet jedoch wenig Anklang bei den Studenten, die nur Fremdsprachen und Wirtschaft lernen wollen, wegen der ersehnten Auslandskontakte und um materiell voranzukommen.

Im vergangenen Jahr wurde ein Herzstück des sowjetischen Hochschulsystems abgeschafft, die „Arbeiterfakultäten“, durch die Arbeiter ohne Reifezeugnis nach einem einjährigen Vorbereitungskurs zu Vorzugsbedingungen an eine Hochschule und zu einer prestigeträchtigen Ausbildung gelangen konnten. Das Ende dieser ideologisch begründeten Einrichtung blieb in der Öffentlichkeit fast unbemerkt. Die Arbeiterstudenten taten sich meist schwer mit den akademischen Anforderungen, vor allem aber werden die Mühen des Studiums später keineswegs durch höhere Einkommen belohnt. Zwar erklärte der russische Präsident Jelzin unlängst, ein Universitätsprofessor müsse doppelt soviel verdienen wie ein Fabrikarbeiter, tatsächlich aber verdienen beide das gleiche, gut tausend Rubel monatlich. Ein gewöhnlicher Dozent erhält mit rund fünfhundert Rubel weniger als ein Reinigungsarbeiter der Metro, berichtet der junge Philosoph Viktor Bydanow; ein Assistent am Beginn seiner Universitätslaufbahn liegt unter dem Studentenstipendium. Wie viele Hochschullehrer bessert Bydanow sein Gehalt auf, indem er an einer anderen Hochschule Vorlesungen hält. Doch obwohl er doppelte Arbeit leistet, darf er von Gesetzes wegen nicht mehr als das Anderthalbfache verdienen. So ist es nicht verwunderlich, daß viele Universitätsdozenten in andere Branchen abwandern.

Russische Universitätsdozenten. klagen ferner, die Studenten würden schlechter: Sie sind heute jünger, kommen direkt von der Schule und sind von der allgemeinen Orientierungslosigkeit angesteckt. Ihr Haß auf das alte System untergräbt oft die Bereitschaft zum systematischen Arbeiten. Wenn sie, wie viele Dozenten, wegen Bargeldmangels der Regierung ihr Stipendium nicht rechtzeitig ausgezahlt bekommen, randalieren sie manchmal in den Hörsälen, Viele studieren nur, um dem verhaßten Wehrdienst zu entgehen. Die Petersburger Universität hat sich umgestellt, an der Philosophischen Fakultät wird statt dialektischem und historischem Materialismus Ontologie, Erkenntnistheorie und Sozialphilosophie gelehrt und statt wissenschaftlichem Atheismus Religionsphilosophie, ein Sonderseminar ist dem Thema „Eigentum als anthrop0lo- gisches Problem“ gewidmet. Doch im Gegensatz zu früher interessiere sich kaum jemand mehr für umfassende Disziplinen wie Politik und allgemeine Theorie, bedauern die Dozenten, die jungen Leute hätten ein eher privates Interesse an Religion und Ästhetik.


Das Ideal des Umversalgelelhrten

Unterdessen entdeckt die neue besitzende Schicht ihren Bedarf nach Weiterbildung. In Sankt Petersburg bietet seit einigen Jahren eine Reihe „altemativer Akademien“ jedermann, der die tausend bis zehntausend Rubel pro Semester aufbringen kann, eine Ausbildung in Kunstgeschichte, Philosophie, Wirtschaft oder Fremdsprachen. Zwar kann noch keine von ihnen ein anerkanntes Diplom verleihen, doch die vermögenden genossenschaftlichen Betriebe kümmert das nicht, und sie scheuen für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter in Sprach- und Wirtschaftskursen keine Kosten. Ehefrauen von neureichen Geschäftsleuten besuchen schöngeistige Vorlesungen. Und viele Universitätslehrer nehmen mr den besseren Verdienst gern das weniger professionelle Niveau der Hörerschaft in Kauf.

Auch an dem international angesehenen Leningrader Meerestechnischen Institut, das, einst aufgebaut nach dem Vorbild der Berliner Teclmischen Universität, sich inzwischen Petersburger Meerestechnische Universität nennt, beschwört man das Ideal des Universalgelehrten éjetzt, dass im Westen unzeitgemäß erscheint. Da Kriegsschiftllngenieure nicht mehr gefragt sind, wird auch hier das geisteswissenschaftliche Programm erweitert. Um ihre intemationale Konkurrenziähigkeit unter Beweis zu stellen, bemüht sich die Hochschule um Auslandskontakte und um Anerkennung ihrer Diplome im Ausland. Das amerikanische Komitee füfw intemationale Prüfungen hat bei Tests festgestellt, daß die hier ausgebildeten Ingenieure westlichen Ansprüchen genügen. „In Amerika heißt es immer“, bemerkt der stellvertretende Rektor der Hochschule, Nikolai Aljoschin, mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut, „die besten Programmierer kämen aus Rußland. Denn unsere Computer sind so schlecht, daß die Studenten gezwungen sind, auch für ausweglose Probleme Lösungen zu finden.“

Zur akademischen Öffentlichkeit Rußlands gehört auch wieder die orthodoxe theologische Akademie des Petersburger Alexander-Newski-Klosters. Die geistlichen Würdenträger werden seit einiger Zeit von „gewendeten“ kommunistischen Gelehrten umworben, auf gemeinsamen Konferenzen sinnt man dem Ursprung des Menschen nach. Doch auch hier hört der Besucher Klagen über das sinkende Niveau der Studenten, obwohl der Andrang der Seminaristen steigt und nicht mehr vom Geheimdienst KGB beschränkt wird. „Früher waren unsere Studenten der Kirche enger verbunden“, seufzt der Rektor der Akade- A mie, Erzpriester Wladimir Sorokin, der Wert darauf legt, daß zwar orthodoxe Theologen an weltlichen Schulen unterrichten können, die Akademie außerhalb der Konferenzen jedoch von weltlichen Gelehrten freibleiben soll. „Heute sind sie oft säkularisiert und verantwortungslos.“ Etwa fünf bis zehn Prozent der etwa vierhundert Studenten brechen die Ausbildung ab, und die Tendenz ist steigend. Der Tagesablauf im Seminar verlangt Disziplin und Hingabe. Seminaristen wie Studenten, die in Mehrbettzimmern im Akademiegebäude wohnen, müssen neben den Unterrichtsstunden jeden Morgen um acht und jeden Abend um halb elf in der Seminarkirche einen kurzen Gottesdienst abhalten. Dazu kommen die mehrstündigen Messen am Samstagabend, am Sonntagmorgen und an den Festtagen sowie regelmäßiger Kirchendienst. Daß manche Seminaristen den Ansprüchen nicht gewachsen sind, verschärft den Priesternotstand im Land. In den Städten besaßen zwanzig Prozent der Priester keine angemessene Ausbildung, klagt Vater Wladimir, in der Provinz seien es noch mehr. Doch was kann die Kirchenleitung schon tun, wenn eine Gemeinde verlangt, einen Priester für ihre Kirche zu weihen? fragt er resigniert. Daß die Menschen in die Kirchen strömen und er den Anfragen nach Religionslehrern aus Schulen kaum nachkommen kann, tröstet ihn wenig. „Die heilige Botschaft hören wollen alle“, sagt er fast verächtlich, „aber sich danach richten, sich bessern, das will das Volk nicht.“

«Наши школы выпускают будущих ученых с недостатками, от которых зачастую уже невозможно избавиться. Прежде всего, я полагаю, ошибка состоит в том, что мальчиков и девочек заставляют выбирать для себя курсы предметов, в части которых полностью отсутствуют древние языки, а в других — математика, в том возрасте, когда они еще совершенно не представляют, что именно им потребуется в дальнейшем»

Э. Панофски,
немецкий историк искусства